CAVALLERIA RUSTICANA
& PAGLIACCI
MELODRAMMA IN ÉÉN BEDRIJF VAN PIETRO MASCAGNI & DRAMMA IN TWEE BEDRIJVEN VAN RUGGERO LEONCAVALLO
PAGLIACCI
FOTO'S © Barbara Aumüller 2012
PRODUCTIE
Staatstheater Darmstadt
intendant: John Dew
première: 1 december 2012
muzikale leiding: Michael Cook
regie / decor: Michiel Dijkema
kostuums: Claudia Damm
dramaturgie: Rüdiger Schillig
Santuzza: Katrin Gerstenberger
Turiddu: Joel Montero / Arturo Martin
Lucia: Elisabeth Hornung
Alfio: Tito You
Lola: Erica Brookhyser / Margaret Rose Koenn
Canio (Pagliaccio): Gor Arsenyan
Nedda (Colombina): Susanne Serfling / Julie Davies
Tonio (Taddeo): Tito You
Peppe (Arlecchino): Peter Koppelmann / Minseok Kim
Silvio: David Pichlmaier / Oleksandr Prytolyuk
Contadini: Tom Schmidt / Alin Codreanu, Juri Lavrentiev / Bo-Chul Chang
Staatsorchester Darmstadt
koor, kinderkoor en figuranten van het Staatstheater Darmstadt
IN DE PERS
“visueel snel”
De visueel snelle enscenering werd door het premierepubliek merkbaar gewaardeerd.
Frankfurter Neue Presse
“vol van flair en temperament”
de enscenering is niet naturalistisch, niet volledig veristisch, niet slaafs qua tijd en plaats gefixeerd, en toch vol van zuid Italiaanse flair en temperament
Echo Online
“zeer geslaagd”
een zeer geslaagde enscenering
Stadtleben
“een meesterlijke prestatie”
In het bijzonder moet de prestatie van Michiel Dijkema geprezen worden: een perfectionistische doordringing en zo getrouwe benadering van het stuk met zo’n ontwapenende actualisering te verbinden is een meesterlijke prestatie. Chapeau.
Frankfurter Allgemeine Zeitung
DE ONDERSTAANDE PERSSTEMMEN WORDEN LATER VERTAALD
„eine Meisterleistung. Chapeau.“
Sizilianische Zeitmaschine
Im selbstentworfenen Bühnenbild genügen zur Darstellung des sizilianischen Dorfes in „Cavalleria rusticana“ Fragmente einer Kirche und des Hauses von Mama Lucia, jeweils abwechselnd vom Bühnenrand ins Geschehen gleitend. Diese Rhythmisierung im Großen findet sich sodann heruntergebrochen bis zur Gestaltung kleinster Gesten, akribisch abgestimmt auf jedes Detail der Musik. Weil dabei eines vollkommen ins andere greift, erscheint das Ergebnis auf wundersame Weise natürlich und bietet zugleich Erlösung von konventionellen Deutungsmustern: Die Dorfgemeinschaft ist zwar vorhanden, und einzelne ihrer Vertreter drücken auch demonstrativ ihre Geringschätzung für die nach ihren Maßstäben sündig gewordene Santuzza aus. Handlungsentscheidend ist jedoch nicht der Druck des Kollektivs, sondern der jeweils individuelle Rhythmus, in welchem die Hauptpersonen unerbittlich befangen sind.
[...] „Der Bajazzo“. Jahrzehnte müssen vergangen sein, denn das Dorf ist in schäbiger Jetztzeit angekommen. Mama Lucias Haus beherbergt nunmehr eine grell illuminierte „Bar Sport“. Satellitenschüssel und Klimaanlage verzieren die Außenwand; Graffiti überdecken verblichene Blutspuren. Eine hedonistische Gesellschaft bevölkert den Ort, geschichtsfrei und vermeintlich unbelastet. Die Regie lässt auch dem Saalpublikum zunächst seinen Spaß, es bedarf genauen Hinsehens, um in den wunderbar gesetzten Pointen Partikel künftigen Grauens aufzuspüren. [...] So liebreizend ist die Commedia-dell’-Arte-Geschichte von Pagliaccio, Taddeo, Arlecchino und Colombina, dass man sich mit dem Dorfpublikum auf der Bühne identifiziert und Bajazzo-Canio die Mordlust nicht abnimmt. Sekunden später sind Nedda und Silvio tot. Die Komödie ist vorbei, und zunächst ist den Mitwirkenden zu gratulieren [...] Besonders zu würdigen aber ist die Leistung von Michiel Dijkema: Perfektionistische Werkdurchdringung und Werknähe mit derart entlarvender Aktualisierung zu verbinden ist eine Meisterleistung. Chapeau.
Benedikt Stegemann
Frankfurter Allgemeine Zeitung
03. Dezember 2012
„ausgetüftelte Personenführung“
Liebe, Eifersucht und Mord
Das farbenfrohe Bühnenbild begeisterte die Zuschauer am Samstag im Staatstheater Darmstadt bei der Doppelpremiere
[...] Seine Inszenierung ist nicht naturalistisch, nicht durchweg veristisch, nicht sklavisch auf Zeit und Ort festgelegt, und doch ist sie süditalienischem Flair und Temperament verpflichtet [...] Vor der in wechselnden Farben angestrahlten Rückwand markieren liebevoll ausgezierte Versatzstücke den Ort; Kirche, Campanile und Casa da Mamma, ein kleines Gasthaus in mediterranem Stil, bilden den Rahmen des Geschehens, wobei die Spielfläche sich immer wieder nach beiden Seiten verschiebt. [...] Großen Wert legt der Regisseur auf eine ausgetüftelte Personenführung, wobei die Dorfgemeinschaft, verkörpert durch den Chor des Staatstheaters, den Kinderchor und die Statisterie, geradezu eine weitere Hauptrolle spielt. Die von Claudia Damm entworfenen Kostüme im Stil der Wende zum 20. Jahrhundert tragen dazu entscheidend bei.
[...] Hundert Jahre später wird aus dem Gasthaus eine Bar mit Leuchtreklame und Antennenschüssel, die zersprungene Glocke des Campanile braucht Ersatz, statt des Eselskarrens fährt ein bunt bemalter Lieferwagen auf die Bühne, der sich rasch als Requisitenkammer und Minispielort der „Pagliacci“ entpuppt. Wie bei „Cavalleria rusticana“ ist auch für den „Bajazzo“ die lange Tafel Zentrum des Geschehens, an der nicht nur die Dorfbewohner Spaghetti und Wein genießen, sondern auf der auch die Hauptakteure ihre Machenschaften austragen.
Klaus Trapp
Echo Online
03. Dezember 2012
„bildschnelle Inszenierung“
Das Rachefeuer lodert
Zwei Mal erhält ein Fluch auf der Bühne Nachdruck von einer gewaltigen Flamme. In Pietro Mascagnis Einakter „Cavalleria rusticana“ ist es die verlassene Sizilianerin Santuzza, die ihrem untreuen Turiddu ausgerechnet an Ostern zornig alles Böse wünscht. Und in Ruggero Leoncavallos zweiaktigem Drama „Der Bajazzo“ lodert es heiß, als der Komödiant Tonio von der allseits begehrten Nedda zurückgewiesen wird und Rache schwört. Das Feuer verklammert in Michiel Dijkemas Inszenierung zeitlos die beiden veristischen Opern, die seit ihren Uraufführungen im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts häufig zusammen gespielt werden. Ungefähr in der Entstehungszeit der Werke siedelt Dijkema das sizilianische Eifersuchts-Drama „Cavalleria rusticana“ an. Wie auf einem Förderband schieben sich im eigenen Bühnenbild des Regisseurs Kirche und Kneipe ins Geschehen, von rechts ein Glockenturm, von links jene „Casa di Mamma“, aus der Turiddus Mutter Lucia die Spaghetti fürs ganze Dorf trägt.
Der gleiche Szenenaufbau ist im „Bajazzo“ zu sehen, nur ist seither ein Jahrhundert vergangen: Aus der „Casa“ wird eine graffitibeschmierte „Sportbar“, an der Kirche hängt ein orangefarbener Mülleimer, der längst einmal wieder geleert werden könnte. Die alte Glocke hat soeben das Zeitliche gesegnet, Vespa und Zweitakt-Dreirad stützen das liebevoll gezeichnete Klischee. Die bildschnelle Inszenierung kam beim Premierenpublikum spürbar gut an.
Axel Zibulski
Frankfurter Neue Presse
03. Dezember 2012
„ein Erlebnis für das Auge“
sehr gelungene Inszenierung […] ein Erlebnis für das Auge
Juliane Adomat
Stadtleben
03. Dezember 2012
„hoch konzentriert, entlarvend“
Michiel Dijkema [...] lässt die stilisierten dramatischen Handlungen beider allein nicht abendfüllenden Kurzopern sich zwischen Kirche mit separat stehendem Glockenturm und der Osteria „Mamma Lucia“ abspielen, die durch den Wirtsgarten, beziehungsweise Dorfplatz, auf dem die Leute nach der Messe das Osterfest feiern, verbunden sind: Eine Dorfgemeinschaft, der nichts entgeht, in der jeder jeden kennt, alles sieht, hört und ahnt und dennoch, ohne einzugreifen, das Grauenhafte geschehen lässt.
[...] Aus amüsantem Eifersuchtspiel ist unversehens blutiger Ernst geworden! Mit den letzten Worten des Doppelmörders, „La Commedia e finita, geht nach Hause“, schlägt Regisseur Dijkema geschickt den Bogen zur voran gegangenen „Cavalleria“! Ein „Bajazzo“ so realistisch und lebensnah, wie ihn sich Leoncavallo wohl vorgestellt haben mag! [...] riesiger Beifall des Premierenpublikums für einen hoch konzentrierten, entlarvenden Opernabend!
Britta Steiner-Rinneberg
RheinMainTaunus Magazin
10. Dezember 2012
„ein ungeheurer Spannungsaufbau“
Ehebruch, Eifersucht, Verzweiflung, Hass, Rache: in 100 Jahren nichts Neues
[…] sehr eindrückliche neue Marken, für die er sich das Bühnenbild gleich selbst geschaffen hat. Dorfkirche, Campanile, Casa da Mamma sind mit großen Abstand auf einem Schlitten aufgebaut, der sich langsam quer zur Bühne bewegt und mit dem ständiger Szenenwechsel erzeugt wird. Zudem wird so die Breite der Bühne fast verdreifacht und Raum für die Chorszenen geschaffen. [...] Nachdem die Einzelauftritte zuerst folgerichtig ans Haus der Mamma Lucia oder ans Kirchenportal verlegt sind, gelingt Dijkema in der entscheidenden Szene zwischen Turridu und Santuzza ein ungeheurer Spannungsaufbau, indem er sie auf dem leeren Platz in Szene setzt, auf welchem Santuzza verzweifelt zurückbleibt, während das „intermezzo sinfonico“ österlichen Frieden verkündet. Mit dieser Szene gelingt Dijkema, was sonst im Gedränge leicht untergeht: die völlige Konzentration auf die Innensicht der verzweifelten Frau.
Der packend fatale zweite Teil der Oper entwickelt sich zu dem großen Spaghetti-Festmahl, für das Mamma Lucia liebe- und detailfreudig einen riesigen Tisch gedeckt hat. Die einseitige und sehr drastisch ausgeführte Kampfszene hinter der Wirtschaft wird zum Opernende in die Bühne hereingefahren. [...]
Die Cavalleria ist in etwa zur Entstehungszeit des Werks kurz vor der Wende zum vorigen Jahrhundert angesiedelt. Eine weit wesentlichere Verklammerung der beiden Opern erfolgt dadurch, dass der Bajazzo in dem gleichen Dorf etwas 100 Jahre später spielt. [...] Die Pagliacci sind in zeitnaher Folklore einer Nichtstuer-Gesellschaft angesiedelt. Eine Tradition bleibt aber bestehen: das Spaghetti-Essen. Eine Matrone wie Mamma Lucia lässt erneut den riesigen Festtisch aufbauen, deckt ihn liebevoll ein und schleppt Riesenschüsseln mit dampfenden Nudeln heran, die man im Parkett zu riechen glaubt. Zur Spaghetti-Party wird vom dem Pagliacci-Wagen eine kleine Bühne heraufgefahren, von der herunter sich auf den Festtisch das finale Geschehen abspielt.
[...] bis in die letzten Details liebevoll ausgefeilten Regiearbeit. Es ist auf der Bühne unendlich viel zu entdecken; allein an den fantasievoll gefertigten Kostümen von Claudia Damm kann man sich nicht sattsehen. Dazu kommt eine Personenführung vom Feinsten, bei der auch die Choristen zu jeder Zeit irgendetwas zu tun haben und die Kinder des Chores erfrischend auf der Szene herumwirbeln. Selbst die beigefügten wunderbaren Produktionsfotos von Barbara Aumüller können das nur zum Teil wiedergeben. Michiel Dijkema hat nun nach seinem ins dritte Jahr gehenden Barbiere in Wiesbaden seine zweite fulminante Regiearbeit im Rhein-Main-Raum abgeliefert. [...] Jubelnder Beifall für die Produktion und die Ausführenden! (Besuchte Aufführung: 29. Dezember 2012)
Manfred Langer
Der Opernfreund
30. Dezember 2012
„Dijkema nimmt den Verismo ernst.“
Die dunkle Seite der Emotionen
Regisseur Michiel hat beide Opern im weitgehend identischen Bühnenbild inszeniert. Dazu hat er - er agiert hier auch als Bühnenbildner - die Tiefe der Bühne durch eine bühnenhohe Leinwand auf wenige Meter verringert, womit er die Enge des gesellschaftlichen Raumes verdeutlicht, in dem die Handlung sich abspielt. Auf dieser „Restbühne“ bewegt sich ein breiter Streifen des Bühnenbodens wie ein Laufband je nach Bedarf von rechts nach links oder umgekehrt. Auf diese Weise kann Dijkema die Prozession der Landbevölkerung zur Kirche über einen längeren Zeitpunkt zeigen, ohne dass der Chor deswegen auf der Stelle treten oder im Kreise laufen muss. Auf diesem Laufband wandert zu Beginn [...] eine so naturgetreu nachgebildete Kirche, dass man die Steine haptisch erfühlen zu können glaubt, dann der Kirchturm mit einer Glocke, die nach tonnenschwerem Gewicht aussieht. Auch das Gasthaus von Turiddus Mutter, „Casa di Mamma“, ist geradezu fotorealistisch einem echten Gasthaus in einem sizilianischen Dorf der vorletzten Jahrhundertwende nachempfunden. Dijkema nimmt den Verismo sichtbar ernst.
Die Handlungsführung erfolgt linear und mit einem unwiderstehlichen Zug zum katastrophalen Ende hin. [...] Dijkema veranschaulicht sehr bildhaft die heuchlerische Doppelmoral der (Dorf-)Gesellschaft, die in der Kirche für Gottes- und Nächstenliebe betet und vor der Kirche Santuzza beschimpft und bespuckt. [...] eine präzise Regieführung, die vor allem die drei Personen und ihre archetypischen Eigenschaften in den Vordergrund stellt.
[...] Nach der Pause setzt „Der Bajazzo“ nahtlos auf der Grundlage des ersten Teils auf. Die Requisiten bleiben erhalten und sind lediglich zeitlich maßvoll aktualisiert worden. Aus „Casa die Mamma“ wurde eine „Bar Sport“, und während Alfio noch auf einem Eselskarren in das Dorf kam, nutzt die Schauspieltruppe um Canio herum einen bunten Lieferwagen. Zu Beginn jedoch trägt Tonio, der missgestaltete Gehilfe der Truppe, hoch oben vor dem Vorhang schwebend und von einem Scheinwerfer beleuchtet, den „Prolog“ vor. [...] Die Albernheiten der Wandertruppe legen sich wie eine dünne Tünche um das emotionale Drama und entlarven die Komik als eine Art existenzieller Verzweiflung. Da kann es dann vorkommen, dass beim Hochziehen der neuen Glocke sich der Pfarrer im Seil verheddert und am Bein mit in die Höhe gezogen wird. Das kann man durchaus als subtile Satire über den Klerus verstehen, wie auch die Szene in der „Cavalleria“, als der junge Ministrant zum Pfarrer kommt und die beiden für wenige Momente ein ungleiches Bild abgeben, das Assoziationen weckt. Komik wird hier zum doppelbödigen Medium [...]
Michiel Dijkema ist mit dieser Kombination eine Inszenierung gelungen, die vor allem durch ihre Dichte und die Konsistenz von Bühnenbild, Kostümen und Handlungssträngen beeindruckt. Claudia Damm hat dazu die passenden und vor allem im „Bajazzo“ farbenprächtigen Kostüme geschaffen. [...] Den Mitgliedern des Chors wurde nicht nur gesanglich, sondern auch szenisch und darstellerisch einiges abverlangt, was sie souverän meisterten. Hervorzuheben sind auch die vielen Kinder, die sich problemlos in das Spiel des Chors integrierten. Der Beifall des Premierenpublikums fiel denn auch begeistert aus.
Frank Raudszus
Egotrip / Theater und Konzert
12. Dezember 2012
„aussagekräftig [...] ergreifend“
Heiße Liebesschwüre mit ironischen Widerhaken
Das aus heutiger Sicht thematisch etwas angestaubt wirkende Melodram setzt Dijkema am Staatstheater Darmstadt effektvoll aufs Laufband und hält damit den unheilvollen Verlauf der Blutrache in ständiger Bewegung. [...] aussagekräftige, ironische Widerhaken
[...] Ein Stück echtes Leben verspricht uns Tonio im Prolog der Bajazzo – und Michiel Dijkema nimmt ihn beim Wort. Mit Leoncavallos Zweiakter springt er ins heutige Sizilien, das er voll ironischer Spielfreude am Schlafittchen packt. [...] ergreifende Liebesduetten heben an, am Ende folgt ein blutiges Finale im Commedia dell' Arte Spiel, das kein Spiel ist. Bis Tonio mit gebrochener Stimme die berühmte Worte sagen darf: „La commedia è finita“, haben die Zuschauer einen wunderbar aufgelockerten Bajazzo gesehen.
Bettina Boyens
Main Echo / Main-Netz
13. Dezember 2013